Funkamateur 03/85

 

Ein Mikrorechner für Anfänger

E. SCHILLER

Seitdem Mikrorechnerschaltkreise in den Amateurhandel gelangten, ist jeder Elektronikamateur in die Lage versetzt, sich einen eigenen Computer zu bauen. Allerdings muß er vorher noch eine Durststrecke überwinden: Die Fachliteratur muß studiert und auch verstanden werden. Wenn dann die Funktion der Mikroprozessoranschlüsse einigermaßen klar ist, steht dem Bau nichts mehr im Wege. Im Prinzip ist alles ganz einfach. Man nehme einen U 880 D, einen D 100 D für den Taktgenerator, einen U 855 D und einen U 555 D, der das Programm enthält. Dann werden alle Anschlüsse mit gleicher Kennzeichnung verbunden, und fertig ist der Mikrorechner.
Leider hat die Sache einen Haken. Woher bekommt man einen programmierten EPROM? EPROMs sind knapp und teuer, Programmiergeräte noch viel teurer, und Programmieren gehört (vorläufig) noch nicht zum Schulunterricht. Der Autor wählte darum einen anderen Weg. Er entwarf einen Rechner, der nur aus ZVE, RAM und Bedieneinheit besteht, d.h. aus Tasten zur Steuerung und einer Anzeige der Busleitungen. Damit kann man sich Schritt für Schritt in die Programmierung einarbeiten. Befehle werden Byte für Byte im Maschinenkode in den Rechner eingetippt, sie können dann schrittweise abgearbeitet werden. Der einzige Nachteil besteht darin, daß die ZVE-Register nur durch Abspeicherung gelesen werden können.

Aufbau des Rechners (Bild 1)

Der Rechner besteht aus der ZVE U 880 D mit Taktgenerator, den vier Adreßpuffern D 193 D, acht RAM U 202 D, dem Datenmultiplexer aus sechs D 103 D, der Hexadezimaltastatur mit den Registern D 195 D, der WAIT-Logik aus D 130 D und D 174 D, und der Anzeige von Adressen-, Daten- und Steuerbus.
Der Taktgenerator schwingt mit einer Frequenz von etwa 1 MHz. R1 erzeugt den notwendigen Pegel für den U 880 D. Der Adreßbus A0... A15 wird durch vier D 193 D gepuffert. Wenn der Ladeeingang Potential L führt, werden die Adreßbits an die Ausgänge gelegt. Bei der Betriebsart Zählen (Ladeeingang = H-Potential) kann die Adresse durch die Takteingänge ZV (Zählen vorwärts) und ZR (Zählen rückwärts) verändert werden. Die zugehörenden Tasten wurden durch RS-Flip-Flops entprellt. Die sieben Steuersignale werden negiert und zur LED-Anzeige geführt. Durch den DMA-Schalter (direkter Speicherzugriff) werden IORQ, MREQ, WR und RD vom Mikroprozessor abgetrennt. /MREQ wird = L, /IORQ = H, /RD = L und /WR = H (beim Lesen). Beim Schreiben (W gedrückt) wird /RD = H und /WR = L. Durch einen D 100 D werden die vier möglichen Rechnerzyklen /IN, /OUT, /MR und /MW dekodiert und mit /M1 an die WAIT-Schalter gelegt. Wenn die Schalter geschlossen sind, und ein Signal = L wird, setzt ein kurzer Impuls den D 174 D zurück, und der U 880 D geht in den WAIT-Zustand. Mit der positiven Flanke von ZV wird das Flip-Flop gesetzt und der Prozessor arbeitet weiter. Der RAM-Speicher wird durch A10 = L angewählt. Die Dateneingänge der acht U 202 D sind direkt an den Prozessor angeschlossen. Die Ausgänge gelangen beim Speicherlesen über einen Multiplexer aus D 103 D an den Datenbus D0 bis D7. Bei Eingaben oder bei DMA-W werden die Ausgänge der D 195 D an den Datenbus gelegt. Sollen noch weitere Speicher oder Eingabegeräte angeschlossen werden, können die freien Eingänge der D 110 D zur Adressierung genutzt werden. Die Diodenmatrix der Tastatur ordnet den 16 Hexadezimaltasten das entsprechende Bitmuster zu. Jeder Tastendruck löst einen Ladeimpuls an den beiden D 195 D (D1 und D2) aus. D1 übernimmt den Tastenkode und D2 den alten Zustand von D1. So können mit zwei Tastendrücken 8 Bit eingegeben werden. Zum Rechner gehört noch das Netzteil. Es muß 5 V/1 A liefern. Die Spannung muß nicht sonderlich gesiebt sein, sollte aber nie unter 4,5 V absinken.

Bedienung des Rechners

Es sind drei Betriebsarten möglich: RUN, STEP und DMA. Bei RUN (Lauf) ist keine Taste gedrückt. Der Rechner arbeitet das im Speicher stehende Programm mit voller Geschwindigkeit ab. Bei STEP (Schrittbetrieb) geht die ZVE bei bestimmten Zyklen in den WAIT-Zustand. Diese Zyklen sind M1 (Befehlsholezyklus), IN (Eingabe in die ZVE), OUT (Ausgabe), MR (Speicher lesen) und MW (Speicher schreiben). Die Zyklen können durch die entsprechenden Tasten ausgewählt werden. Nach dem Drücken der Step-Taste setzt der Rechner das Programm fort. Damit kann der Programmverlauf verfolgt werden. Bei Eingabebefehlen werden die Register D 195 D an den Datenbus geschaltet. Wenn die Taste IN gedrückt ist, kann man über die Hexadezimaltasten eingeben und dann das Programm fortsetzen. Alle Bytes, die der Rechner ausgibt, sind in der Datenanzeige (Bild 2/3) sichtbar.
Bei DMA wird die ZVE vom Speicher getrennt. Der Speicher kann nun gelesen werden. Dazu läßt sich mit ZV und ZR die Adresse weiterzählen. Wird zusätzlich W (Schreiben) gedrückt, so kann man ein Programm eingeben. Beim Drücken einer Hexadezimaltaste werden vier Bit in das rechte Halbbyte übernommen. Wenn eine zweite Taste betätigt wird, rückt das rechte Halbbyte in die linke Hälfte vor, und rechts steht der neue Tastenkode (wie bei Taschenrechnern). Beim Drücken von ZV wird ein Schreibimpuls an die RAMs gelegt. Wenn ZV losgelassen wird, zählt der Adreßzähler + 1 weiter.
Es ist sinnvoll, den Rechner von DMA mit WAIT oder BUSRQ anzuhalten, denn sonst zerstört er nach Beendigung des DMA das mühsam eingetippte Programm gleich wieder. Mit der RESET-Taste wird die ZVE rückgesetzt und beginnt die Abarbeitung des Befehls auf der Adresse 0000. Bei NMI wird der Befehl CALL 0066H ausgeführt. Erst nach RETN oder RESET kann die Taste ein zweites Mal betätigt werden.
Ein wesentliches Hilfsmittel zur Programmierung im Maschinenkode bildet die Befehlsschlüsseltabelle des U 880 D (siehe Literatur). Aus dieser Tabelle lassen sich die Hexadezimalkodes ablesen für alle Befehle. Man sieht, welche Befehle möglich sind und welche nicht. Was die Befehle konkret bewirken, kann man in der Literatur nachschlagen und dann ausprobieren.

Hinweise zum Nachbau

Die Schaltung läßt sich auf zwei Leiterplatten 170 mm x 95 mm unterbringen. Alle Kontakte werden durch zwei 24polige Steckerleisten herausgeführt. Für die DMA- und WAIT-Logik wird eine kleine Leiterplatte an der Tastatur befestigt. Wenn man den Rechner später noch erweitern will, müssen dann noch einige Steckplätze vorgesehen werden. Da nur 48 Steckkontakte zur Verfügung stehen, können nur die Adressen, Daten, Steuerleitungen und die Stromversorgung auf allen Steckplätzen parallel verdrahtet werden. Die restlichen Kontakte werden bei jeder Platte individuell genutzt.
Bild 2 zeigt einen Vorschlag zur Gestaltung der Frontplatte des Gehäuses. Beim Entwurf der Leiterplatten werden die Bauelemente so plaziert, daß möglichst viele Verbindungen gezeichnet werden können. Die restlichen werden nach dem Bestücken mit Schaltdraht hergestellt. Wer es sich nicht zutraut, zwischen zwei IS-Anschlüssen einen Leiterzug zu zeichnen, kann folgenden Trick anwenden: Für die acht U 202 D werden acht parallele Leiterzüge im Abstand von 2,5 mm gezeichnet. Beim Bestücken werden die Schaltkreise auf die Seite gelegt und die Spitzen der Anschlüsse mit den Leiterzügen verlötet. Die acht Anschlüsse der anderen Seite hängen jetzt waagerecht in der Luft. Sie werden durch verzinnten Schaltdraht mit der Leiterplatte verbunden.
Noch etwas zur Empfindlichkeit vom MOS-LSI-IS. Der Autor hat die Erfahrung gemacht, daß MOS-IS ziemlich unempfindlich gegen Aufladung und Kurzschlüsse aller Art sind. Der einzige Verlust bei mehrjähriger Beschäftigung mit Mikrorechnern entstand durch eine fehlende Masseverbindung des Schaltkreises. Man kann also auf Steckfassungen durchaus verzichten. Vorsichtige Behandlung der teuren Bauelemente ist aber trotzdem erforderlich.

Literatur

[1] Lindner u.a.: Technik der Mikrorechner,
radio-fernsehen-elektronik 26 (1977) H.17 bis 28 (1979) H.12 (28 Folgen)
[2] Barthold, H. - Bäurich, H.: Mikroprozessoren - Mikroelektronische Schaltkreise und ihre Anwendung, Teil 1...3,
Amateurreihe "electronica", Band 186...188 bzw. Band 202...204 (2. Auflage),
Militärverlag der DDR, Berlin 1980 und 1982
[3] Kieser, Meder: Mikroprozessortechnik, VEB Verlag Technik, Berlin 1982
[4] Schwarz, Meyer, Eckhardt: Mikrorechner, VEB Verlag Technik, Berlin 1980
[5] Schiller: U-880-System mit minimalem Aufwand,
radio-fernsehen-elektronik 32 (1983), H.3, S.154...156, 32 (1983), H.6, S.340/341

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