Funkamateur 03/89

 

Einführung in Packet-Radio

AG "Digitale Kommunikation im Amateurfunk"

Die Anwendung unterschiedlichster Betriebs- und Sendearten, die Entwicklung neuer Gerätetechnik, die Erkundung und gezielte Nutzung verschiedener Ausbreitungsarten sind seit Bestehen des Amateurfunks immer Ziel und Diskussionssstoff für Funkamateure gewesen. Die Erschließung neuer Möglichkeiten durch den Einsatz von Mikroelektronik ist heute ein Ziel dieses "Experimentierfunkdienstes" [1]. Dabei gestatten gerade die neuen, auf digitaler Basis arbeitenden Verfahren, unter Beibehaltung herkömmmlicher Sende- und Empfangstechnik mit verbreiteten Sendearten völlig neue, betriebsdienstliche Effekte, die der Bereicherung des Amateurfunks dienen und helfen, die Funkverbindungen auf höherem technischen Niveau durchzuführen. Dieser Aufgabe stellt sich die Arbeitssgruppe "Digitale Kommunikation" des Radiosportverbandes der DDR.
Neben der klassischen digitalen Kommunikation, der Funkverbindung mittels Morse-Telegrafie, neben RTTY und AMTOR gewinnt dabei Packet-Radio (PR) immer mehr an Bedeutung.
Der Grund für diese Entwicklung ist wohl in der Tatsache zu sehen, daß Packetradio eine Übertragung von Informationen mit extrem hoher Fehlersicherheit erlaubt (etwa 1 Fehler auf 1013 Zeichen). Das folgt daraus, daß bei jeder übertragenen Information automatisch geprüft wird, ob dabei Fehler auftraten. Im Fehlerfall wird, wiederum automatisch, diese Information durch den Empfänger neu angefordert, bzw. durch den Sender wiederholt, bis eine Bestätigung für den einwandfreien Empfang beim Absender vorliegt. Damit eignet sich das Verfahren hervorragend zur Übertragung von Contest- Ergebnissen, Diplombedingungen, DX-Information usw., bei denen eine fehlerhafte Ziffer oder ein falscher Buchstabe entscheidend sein können. Dies ist aber gleichzeitig auch eine Schwäche von Packet-Radio, da bei Störungen der Übertragung häufige Wiederholungen auftreten können. Aus diesem Grund werden die Informationen in kurze Pakete (auf KW etwa 10 bis 40 Zeichen und auf VHF etwa 20 bis 256 Zeichen) zerlegt und mit hoher Geschwindigkeit gesendet. So vermeidet man längeres Warten auf eine fehlerfreie Übertragung. Außerdem sorgt man bei der Übertragung dafür, daß bei zu starken Störungen die Anzahl der Versuche für die Übertragung begrenzt wird und im Ergebnis ein automatischer Verbindungsabbruch erfolgt.
Über die Möglichkeiten der "Mutter des Verfahrens X.25" hinaus wurden in der Amateurversion AX.25 spezielle Anpasssungen an die Bedingungen des Amateurfunks vorgenommen [2]. So kann man außer einer direkten Funkverbindung zwischen zwei Amateurfunkstellen auch Verbindungen durch Vermittlung über andere Amateurfunkstellen aufbauen (QSP-Betrieb). Dazu dienen zumeist sogenannte Digipeater, die, speziell für diesen Zweck gebaut, die Funktion einer Vermittlung im Sinne eines Amateurfunkrelais übernehmen und wie bei herkömmlichen FM-Relais die Reichweite einer Amateurfunkstation beträchtlich erweitern können, dabei aber nicht gleichzeitig (wie ein Relais), sondern kurz nacheinander senden und empfangen. Aus den Informationen, die zur Steuerung der Packet-Radio-Verbindung über Digipeater und im direkten Verkehr übertragen werden, ist bei jeder Aussendung ersichtlich, welche Station über welche Digipeater mit wem eine Verbindung unterhält. Damit ist das Verfahren auch für die Tätigkeit als PR-SWL interessant. Da Packet-Radio grundsätzlich mittels Computer betrieben wird, lassen sich durch die Anwendung sogenannter "Terminalprogramme" die Möglichkeiten des Computers mit den Vorteilen des selbsttätig fehlerkorrigierenden Übertragungsverfahrens koppeln. Letztlich bietet das Verfahren auch gute Voraussetzungen, um Bilder (Stromlaufpläne, Skizzen u.a.) und Sprache in digitaler Form zu übertragen. Bereits heute existiert in dieser Sendeart ein weltweites Netz von Amateurfunkstellen, die Informationen auf den verschiedensten Gebieten (DX-Informationen, Contestergebnisse, Satelliten-Bahndaten usw.) in speziellen Mailboxen (Briefkästen) ständig bereitstellen. In diesem Beitrag soll gezeigt werden, wie man in Packet-Radio am Amateurfunk teilnehmen kann und welche Gerätetechnik dazu erforderlich ist.

Grundlagen des Verfahrens

Die Datenübertragung bei Packet-Radio erfolgt synchron, d.h., der Sender sendet ein Synchronisationszeichen (Flag, Fähnchen), das der Empfänger sucht und ausswertet. Wird das Zeichen erkannt, erfolgt die Synchronisation und der Empfang der folgenden Zeichen (Daten) kann beginnen. Als Kodierungsverfahren dient NRZI (Bild 1). Dabei bewirkt jede zu sendende Null einen Flankenwechsel des Ausgangssignals. Damit ist auch die absolute Phasenlage des Signals ohne Bedeutung und ein Bit mit dem Wert 1 läßt sich sowohl durch ein NRZI-Ausgangsignal von 0 oder 1 darstellen. Folglich kann man bei einer Frequenzumtastung auch nicht mehr von Mark oder Space sprechen, da keine unmittelbare Zuordnung zur Information existiert. Sendet man nur Nullen, ergibt sich bei einer Geschwindigkeit von 1200 Bit/s eine maximale Rechteckfrequenz von 600 Hz. Packet-Radio-Signale werden wie bei RTTY und AMTOR mittels Tonumtastung (AFSK) oder direkter Trägerumtastung (FSK) erzeugt. In speziellen Fällen kommt auch DPSK (Phasen-Umtastung) zum Einsatz.
Im VHF- und UHF-Bereich erfolgt die Übertragung zur Zeit vorrangig mit herkömmlicher FM-Funkgerätetechnik in der Sendeart F2B (analog zu RTTY und AMTOR). Daher war es erforderlich, zwei international vereinheitlichte Frequenzen für die AFSK festzulegen (1200 Hz und 2200 Hz). Die zur Übertragung erforderliche Signalbandbreite des Senders und des Empfängers beträgt dabei etwa 2200 Hz (600 Hz bis 2800 Hz, [3]). Dieser Frequenzbereich sollte mit geringem Klirrfaktor und phasenlinear übertragen werden. Die Übertragungsgeschwindigkeit beträgt, bei Verbindungen unter den einzelnen Amateurfunkstellen 1200 Bit/s. Die Vorzugsfrequenzen für den direkten Verkehr der Funkamateure untereinander sind im 2-m-Band 144,625 MHz; 144,650 MHz und 144,675 MHz. Für die Funkamateure in der DDR schlagen wir die Frequenz 144,650 MHz vor.
Im Kurzwellenbereich gelten eine Shift von 200 Hz und eine Geschwindigkeit von 300 Bit/s, wobei die Übertragung zumeist mit üblichen SSB-Funkgeräten erfolgt. Festlegungen für konkrete PR-Frequenzen befinden sich z.Z. in der Diskussion. Vorzugsfrequenzen sind u.a. auf 14 MHz zu finden. Dort arbeiten Packet-Radio-Stationen mit steigender Frequenz im Abstand von 2 kHz (Mittenfrequenz des F1B-Signals mit ±100 Hz Shift). Die erforderliche NF-Bandbreite liegt bei etwa 500 Hz und geringeren Forderungen bezüglich der Phasenlinearität [3].

Packet-Radio-Gerätetechnik

Wegen der obengenannten Anforderungen bezüglich der Phasenlinearität und der zulässigen Verzerrungen im NF-Kanal ist es sinnvoll, ein MODEM für Packet-Radio (Modulator und Demodulator) direkt, unter Umgehung von NF-Verstärkern, an den Modulator bzw. Demodulator eines FM-Amateurfunkgeräts anzuschließen. Ein exakter Abgleich des FM-Demodulators auf minimalen Klirrfaktor sorgt für hohe Sicherheit bei der Übertragung und sollte unbedingt mit geeigneter Meßtechnik erfolgen.
Das MODEM besteht auf VHF häufig aus einem PLL-Demodulator und einem AFSK-Generator, die sich durch extrem geringe Einrast- bzw. Umschaltzeiten auszeichnen. Im Kurzwellenbereich werden ähnliche MODEMs, aber auch herkömmliche Diskriminatoren (z.B. mit A220) erfolgreich eingesetzt. Die Modulation kann sowohl mittels AFSK am SSB-Sender, aber auch als FSK realisiert sein. Die Sende/Empfangs-Umschaltung erfolgt über die übliche PTT-Steuerung und stellt im Gegensatz zu AMTOR keinerlei spezielle Anforderungen an die Umschaltzeiten. Es ist lediglich zu beachten, daß ein relativ häufiges Umschalten zwischen Senden und Empfang durch die begrenzten Paketlängen und bei Wiederholungen zu einem erhöhten Verschleiß der umgeschalteten Kontakte führt.
Praktische Erfahrungen mit PR auf KW konnten wir mit einem entsprechend ausgerüsteten "Teltow 215 C" und auf VHF mit Funkgeräten vom Typ "UFT 422", "UFS 601", "USE 600" u.a. gewinnen. PR-Stationen arbeiten vorzugsweise auf der gleichen Frequenz. Demzufolge ist es für jede PR-Station erforderlich, die Frequenz automatisch zu überwachen, um ein gleichzeitiges Senden mehrerer Stationen zu vermeiden. Dazu stellt eine spezielle Schaltung fest, ob der Kanal frei ist und der eigene Sender eingeschaltet werden kann. Die Vielzahl der zu realisierenden Forderungen und Funktionen erfolgt meist durch einen direkt an das MODEM gekoppelten Mikrorechner. Man erhält so einen TNC (Terminal Node Controller), der die Organisation der Funkverbindung übernimmt und alle erforderlichen Prüfungen und Kontrollen ausführen kann. Über eine geeignete Schnittstelle, häufig als V.24 ausgeführt, wird der TNC an einen Computer angeschlossen, mit dessen Terminalprogramm der Funkamateur das QSO abwickelt (Bild 2). Als Computer sind fast alle mit einer solchen Schnittstelle ausgerüsteten Typen einsetzbar (PC/M, "KC 85/1/2/3", "PC 1715", "A 5120" usw.).
Für einige Computer existieren "Software-TNCs", die die Funktion des Mikrorechners (Bild 2) und des Terminalprogrammes integrieren ("C64", "ZX-Spectrum" u.a.).
In folgenden Beiträgen werden sowohl ein MODEM für Packet-Radio auf Basis der IS V4046 als auch ein kompletter TNC und eine einfache Version der zugehörigen Terminalsoftware vorgestellt.

Literatur

[1] Hergett, U.: Festlegungen zur Anwendung moderner Funkfernschreibverfahren im Amateurfunk der DDR,
FUNKAMATEUR 37 (1988), H. 4, S.198
[2] Fox, T. L.: Amateur Packet-Radio Link-Layer Protocol, ARRL Newington, U.S.A.
[3] Mäusl, R.: Digitale Modulationsverfahren, Dr. Alfred Hüthig Verlag Heidelberg, Heidelberg, 1985