AC1 von Ulrich Deutschmann, Kamenz

September 2014
Ulrich Deutschmann:
" ... Geschichten wie diese sind euch wahrscheinlich mehr als vertraut. Mittlerweile bin ich 62 Jahre alt. Erst Röhren, dann Transistoren und Co waren mir seit meinem zwölften Lebensjahr ständige liebe Begleiter. Leider gab es da aus den verschiedensten Gründen auch immer längere Pausen.
Mit den ersten Mikroprozessoren kam wieder die Lust. Und ich habe eigentlich immer das praktische Herumwerkeln parallel zum Wissenserwerb gemocht. Zu allem "Übel" kam mit den U880 und Co. auch noch die dritte Flanke Software von Maschinencode über BASIC bis allgemeine Programmtechnologien dazu.
Mein Beruf (Lehrer Math/Phys bis zum Ruhestand) bot ja ein wenig in der Richtung. Was mir fehlte waren natürlich die Connections in Betrieben, um Geräte und Materialien zu "organisieren".
Westverwandtschaft war nicht, sonst wäre ich ein glücklicher C64-Freak geworden. So habe ich mit dem Funkamateur 12/83 richtig Blut geleckt. Die zerfaserte Titelseite ist heute noch Deckblatt meiner Unterlagen. Zu meinem Unglück hatte ich noch kein Abo, sondern nur sporadisch ab und an ein Heft gekauft. So musste ich bei einem Bekannten die Seiten kopieren lassen (Thermoverfahren). Da ist mittlerweile nichts mehr lesbar.
Jedenfalls gab es für mich kein Halten mehr. Unter Vernachlässigung mancher beruflicher und familiärer Pflichten waren die Nachmittage, Abende und viele Nachtstunden einem Ziel geschuldet. Den AC1 "aus dem Stück feilen". Von Weihnachten 1984 an bis Ende Februar 1985 habe ich buchstäblich alles per Hand gemacht. Leiterplatte gezeichnet mit der Röhrenfeder, freihändig an der waagerecht eingespannten Bohrmaschine die Löcher gebohrt, um den Bruch an Bohrern zu minimieren, die Drahtbrücken gelötet etc.
Leiterplatte RAM
Leiterplatte Arbeitsspeicher
Alle von damals wissen wovon ich rede. Jede einzelne Taste war Handarbeit, ein spiralförmiger Kupferdraht und eine edle kugelförmige Reißzwecke nebst zwei Plastikteilen (Ersatzteil des Mittelstücks eines Wasserhahngriffes in den den Farben grün, blau, rot)... Zwei ! Wochen habe ich an der Tastatur gearbeitet. Kein 8MHz Quarz, dafür eine übersteuerte LC-Schaltung an einem D100. Das Thema Materialbeschaffung in Görlitz oder anderswo ist ja bekannt.
Tastatur Taste
Tastatur Aufbau einer Taste
LC-Oszillator 16K-RAM
LC-Oszillator 16KByte RAM
Jedenfalls irgendwann im Februar 1985, als ich den "richtigen" Zeichengenerator gegen den im Gerät bereits verbauten tauschte und plötzlich anstelle der grauen Rechtecke Buchstaben und Zahlen zu sehen waren, den Augenblick werde ich nicht vergessen.
Aufbau Ausschrift
unten Netzteil, oben LP Monitorausschrift
Glücklicherweise hatte ich für alle großvolumigen Prozessor-ICs Steck-Fassungen verbaut. So konnte und kann ich auch noch heute die Schaltkreise tauschen.
Die EPROM-Programmierung habe ich an der Ingenieurschule Görlitz in meinen Winterferien an einem MRES21 gemacht. Die gestanzten Lochstreifen der 2 Monitorschaltkreise und des BASIC-Interpreters habe ich jetzt noch.
So konnte ich kleine Tippfehler - ja alles per Hand eingetippt - am nächsten Tag gleich korrigieren, die EPROMs löschen und neu programmieren lassen und die langen Lochstreifen wieder zusammenrollen. Die Kollegen des Rechenzentrums da waren rührend zu mir.
Na ja und dann kamen später täglich ein bis zwei neue Programme. Stolz bin ich immer noch auf ein Matheübungsprogramm mit gewisser Intelligenz, das sich an dem Übenden orientierte.
Gleichermaßen stolz war ich, als ich einen Bausatz der eigentlich als Zusatz für ein Digitalthermometer verkauft wurde an den AC1 angeschlossen habe. Das Programm in Maschinensprache für die PIO ohne Hilfsmittel machte mich ungemein stolz. Ebenso das Auslesen am AC1 ohne Basic und die Großbilddarstellung der Anzeige für ein Klassenzimmer.
Programm Grossbild
Matheprogramm Großbildanzeige
Bis 2012 war an meinem Gymnasium nichts vergleichbares angeschafft worden.
Ja und 2014 aus einer Marotte heraus habe ich das seit 1990 eingemottete Stück einfach mal wieder zusammengesteckt. Der MONITOR meldete sich exakt - Topp EPROMS. Die Steckverbinder und die Tasten hatten eine gehörige Portion uraltes Wellenschalteröl nötig.
Jetzt muss ich etwas zum Schluss kommen. Heute morgen als ich so gegen 5 Uhr mit einem frisch gebrühten Kaffee ans Fenster trat, den Regen draußen vor der Nase kam mir eine Idee. Gib doch mal in den inzwischen hochgefahrenen Desktop bei lxquick "Amateurcomputer AC1" ein. Beim dritten Link war ich auf http://www.ac1-info.de/ gelandet. Ich konnte kaum glauben, was ich da zu sehen bekam. Die alten Dokumente - "GOLDSTAUB" - zum Bau 1983 bis 85 sowie die Erweiterungen. Und es gibt noch Leute, die sich an der damaligen Sache regelrecht berauschen können. Wenn ich, was bei mir inzwischen nötig ist, alles in der Tonne entsorgt hätte. Ich hätte Zustände bekommen.
Herzlichen Dank, Tausend Dank für deine Mühe und auch schöne Grüße an Enthusiasten von damals und heute."
Meine Außendarstellungen mit dem AC1:
  • Pionierveranstaltungen (schon in Klasse 1)
  • Jugendweihestunden
  • Gewerkschaftsversammlungen an Schulen (POS Görlitz, Girbigsdorf, Hagenwerder, Oßling
  • 1985 Kreis-MMM in Görlitz
Meine Vorträge trugen Titel wie "Computer an der Schule - Science-Fiction, Zukunft oder schon Gegenwart?". Sie waren Werbeveranstaltungen für Mikroelektronik und Computer. Computerkabinette gab es noch nirgendwo.
Die Lehrerweiterbildung in Dresden kam erst. Das Pflichtenheft bei ROBOTRON für den sog. Bildungscomputer war noch geheim oder gar nicht angesagt.
Die versammelten Kollegen haben Bauklötzer gestaunt.
Historie Vorstellung
Vortrag 1 Vortrag 2
Vortrag 3 Vortrag 4
Ausbau meines AC1 der ersten Stunden (Lief ab 03/1985 und heute immer noch):
  • 30x40 cm Leiterplatte mit Röhrenfeder gezeichnet, geätzt und gebohrt
  • Eigenbau Stromversorgung für alle 4 Spannungen
  • 2 KByte RAM plus später 16 KByte Erweiterung (da auch immer das Basic rein) (8 mal 64 KBit Speicherschaltkreise liegen nagelneu ungebraucht da)
  • 4 KByte EPROM
  • 1 PIO, 1 CTC, Kassetteninterface an Geracord
  • Interface Analog/Digital für Spannungsmessungen und Temperaturen
  • (Keine Floppy)
komplett
Entwickelte Software:
1. Maschinensprache:
  • Kleine Textverarbeitungen zur Vorstellung des Gerätes bei Vorträgen
  • Interface Analog/Digitalwandler mit C520 an PIO-Port für Spannungen
  • Peripherie an A/D Wandler für Temperaturmessungen inklusive Großdarstellung
  • Thermometer für Klassenzimmer Physikunterricht
  • Stoppuhr
  • 24 Stunden-Uhr
2. BASIC
(Große Anzahl kleinerer Programme, aber auch umfangreich in Modulen programmiert).
Zählübungen.
Das "Damenproblem" mit 8 Damen ohne Wiederholung auf waagerechten, senkrechten und diagonalen Linien vollständig gelöst. Über 20 verschiedene Lösungen.
Besonders stolz war ich auf meine Kopfrechentrainer Grundrechenarten und Gleichungen:
Menü, 3 bis 5 Fehler-Versuche bei jeder Aufgabe, dann Ergebnisanzeige, permanente Wiedereinblendung fehlerhafter Aufgaben, Gesonderte Fehlerbearbeitung, falls dies überhaupt machbar war.
Heute würde man interaktives Lernen (ohne den bunten Schnickschnack sogenannter Lernsoftware) sagen. Aufgaben wurden nach eingegebenem Grad der Schwierigkeit und des Übungsinhaltes permanent vom Computer neu erstellt. Dabei bereitete das Erstellen und die Bildschirmdarstellung von Gleichungen mit einer Variablen einiges Kopfzerbrechen.
Alle vom Computer erdachten Aufgaben mussten immerzu auch für die verschiedenen Berichtigungsroutinen zwischengespeichert werden.
Die gelungensten Mathe-Programme habe ich später auf KC87 übertragen. Ab 1990 mit dem eigenen C64 dann noch einmal auf diesen.
Zum Glück hatte ich alles in Modulen programmiert, so dass ich nur noch umsetzen musste auf dessen BASIC.
Der Ausdruck auf fortlaufendes Papierband ging bei mir bis zu 5 A4-Seiten mit jeweils ca. 70 Programmzeilen. Die im Osten zusammenbrechenden Betriebe lieferten diese Papierschlangen-Packs gratis, auch als Durchschlagspapier perfekt für die alten Nadeldrucker.
Schlussbemerkung:
Alles autodidaktisch angeeignet! Für den Einzelnen ein Stück herrliches Abenteuer. Für die Gesellschaft sinnlos vertane Mannpower.
Da stiegen anderswo schon junge Burschen aus der elterlichen Garage auf zu Millionären.

Viel Freude am Tüfteln wünscht
Ulrich Deutschmann
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